TOPIC trifft

Sissi Perlinger

TOPIC-Gespräch mit Sissi Perlinger

Sissi Perlinger erscheint komplett im Leoparden-Look, in "Leo", wie sie sagt, ihr Alltags-Outfit.

Wir treffen wir uns nach ihrem TV-Interview in der Faulenstraße, um von hier aus nach Bremen-Vegesack zu fahren, wo sie am Abend ihre Show hat. Bei der Begrüßung sehe ich ihre Augen aus der Nähe, bernsteinfarbend, ja, wie glänzende Bernsteine, farblich passend zum Outfit.

"Sie kommen gerade aus Indien direkt nach Bremen ...?"

"Nicht ganz direkt, vor zwei Tagen ..."

"Dort haben Sie eine neue Show vorbereitet, warum in Indien?"

"In Indien bin ich regelmäßig seit vielen Jahren", sagt Sissi Perlinger, "manchmal kommt auch die Regisseurin mit und wir verbinden Urlaub mit Beruf. Ich lasse dort auch alle meine Kostüme nähen, kann sie gleich probieren. Ach, herrlich, mal wieder in Bremen zu sein".

"Kennen Sie Bremen näher...?"

"Zu Bremen habe ich eine besondere Beziehung, denn hier hatte ich meinen ersten Bühnenauftritt, als Backgroundsängerin in einem Theaterstück, in einem Puppenhäuschen im Schnoor, im Packhaus-Theater war das ..."

"Wieso kamen Sie aus München nach Bremen?"

"Heute würde man sagen, Casting, ich bin mit zwei anderen Mädels ausgesucht worden."

Kurz vor der Auffahrt zur A 27 stehen wir im Stau.

"Jetzt wird es doch etwas länger dauern ..."

Die Künstlerin bleibt locker: "Wir haben noch Zeit, ich mag es nicht, wenn ich irgendwo gehetzt ankomme."

"Ihre Mutter hat mal gesagt, dass sie immer ein fröhliches Kind waren und nie geweint haben, dann waren die Eltern ja auch glücklich."

Sissi Perlinger lacht. Auf der Autobahn geht es schneller voran. Sie schaut aus dem Fenster. "Überall diese irischen Rinder, denen möchte ich mal direkt ins Gesicht sehen, Kühen haben wundervolle Augen."

"Dazu hatten sie in Indien wahrscheinlich Gelegenheit genug..."

"Die Inder haben zu Tieren, nicht nur zu den Kühen, eine ganz andere Beziehung, nichts eingezäunt, alles läuft frei herum, Tiere sind ein Teil der Gesellschaft."

"Bei uns hat man ja erst vor wenigen Jahren gesetztlich festgelegt, dass Tiere eine Seele haben ..."

Ihr Handy tönt. "Entschuldigung ... ja, ja, OK, ja."

"Entschuldigung, wo waren wir stehengeblieben? Ach, ich muss doch noch mal telefonieren, das betrifft auch Sie, wegen der Fotoaufnahmen. Der hohe Gelb- und Rotanteil in der Bühnen-beleuchtung ist nicht so gut für Fotos, hat mir ein Fotograf gesagt."

Sie spricht mit ihrem Techniker und wünscht sich für heute Abend weniger Gelb und Rot, vielleicht anstelle von Gelb weißes Licht ...

Wir fahren soeben am Kulturbahnhof "kuba.r" vorbei, wo Sissi Perlinger abends "spielt". Unser momentanes Ziel ist das Hotel am Hafen, irgendein sonniger Platz auf der Hotelterrasse, wo ich das Interview für TOPIC Bremen führen kann, das aber eigentlich schon längst begonnen hat. Die Sonne scheint hochsommerlich.

Der Platz im Sonnenschein behagt der Künstlerin. "Schön, die Wärme im Nacken ... "

Den Kuchen (ohne Sahne) , den sie sich am Buffet ausgesucht hatte, möchte sie nicht mehr, stattdessen ein maritimes Menue. "Jetzt habe ich richtig Hunger. Manchmal muss das sein, auch als Fast- Vegetarierin."

"Seit wann sind Sie Vegetarierin?"

"Schon ewig, aber gemäßigt, Fisch und Krabben sind schon OK. (dreht sich in die Sonne) Herrlich, diese Wärme ... das entspannt ..."

"Stichwort Entspannung. Gibt es ein Ritual in den Minuten vor dem Auftritt, mit dem Sie sich entspannen, oder brauchen Sie die Anspannung?"

"Die Spannung kommt von selber, aber autogenes Training ... dazu bin ich auch durch Bremen gekommen, genauer durch einen Engel, den mir der Himmel geschickt hat, Klaus Haak, der hat mich in das autogene Training eingeführt. Das hat mir fast das Leben gerettet."

"Wenn Hunderte Menschen dir applaudieren, geht das direkt in die Vene."

"Sie haben schon viel gemacht, Bühne, Film, Fernsehen, Bücher, Musik, sind Sie etwas ruhiger geworden?"

"Ich konzentriere mich nur noch auf die Tournee. Das ist ein Fulltime-Job. Die Öffentlichkeit will eine Marke. Viele Talente, die man auch auch zeigen will, verwässern dein Markenzeichen. "
"Auch diese Tournee, fast täglich in einer anderen Stadt, kostet Engergie, wo nehmen Sie die Kraft her?"

"Ich liebe und lebe meinen Job. Wenn dir jemand an den Lippen hängt, dich lobt und bestätigt, hebt das, wenn das Hunderte Menschen an einem Abend tun, geht das direkt in die Vene."

"Der Künstler lebt vom Applaus ..."

"Es kam schon vor, dass mir vor meinem Aufritt zum Heulen zumute war, dass ich mich zwingen musste, auf die Bühne zu gehen und dann, in dem Moment auf der Bühne, das Publikum, das Feedback, diese Energie von den Menschen, von einer Sekunde auf die andere wie eine Injektion pur."

So sagt und meint es Sissi Perlinger später auch beim Warmup zu ihrer Bühnen-Show: "Ich gebe euch was, das kommt zu mir zurück, ich bin dann Transformator und sprühe es zu euch zurück und es kommt wieder ... ein Wechselspiel ... und das Allerschönste dabei, ihr könnt mich zwei Stunden lang nicht wegzappen."

"Propagieren Sie das Singledasein? Am Ende Ihrer Show steht ein aufgeräumter weiblicher Single, eine Heldin des dritten Jahrtausends ..."

"Auf der Bühne ist das theatralisch übertrieben, da geht es um Beziehungen, Katastrophen, Transformation, mit den Krisen fertig werden ... Ich war einige Jahre Single, zuerst war´s nicht einfach, dann wurde ich gelassener, Indien mit dem Ziel, spirtuell weiter zu kommen, spielt eine Rolle ... und dann habe ich meinen Lebenspartner gefunden, auch ohne danach zwanghaft gesucht zu haben."

Und da kommt er auch schon, setzt sich zu uns. Hat Sissi Perlinger ein Lebensmotto? Kurze Überlegung. "Ich bin immer für neues Lernen, das hält fit und jung." Man nimmt es ihr ohne Zweifel ab.

Noch ein Foto von der Künstlerin auf der Hotel-Terrasse? Klar, aber vorher ein prüfender Blick in den Schminckspiegel und Lippen rot nachziehen. Also dann, bis heute Abend.

Abends auf der Bühne

Abends. Das Haus ist ausverkauft. Einige haben sich Barhocker von nebenan geholt, andere stehen am Rande oder sitzen auf der Heizung. Die Bühne ist spärlich beleuchtet, aus dem Off tönt schon die Stimme der Entertainerin. Spots strahlen nun hell auf die Mitte der Bühne und Sissi Perlinger schluhrt aus dem Dunkel hervor, fegend mit einem - wie das Publikum sogleich erfährt - magischen Schrubber. Den hat sie von Frau Schamanin, Ihrer Lebensberaterin, gegen die bösen Mächte bekommen. Kein Laserschwert, keine Energie-kanone, wie sie Männer bekommen würden, nein, einen Schrubber.

Sie macht Warmup, sie tanzt, gelenkig wie eine Moulin-Rouge-Tänzerin, sie zeigt Körper und -Einsatz, sie singt chanson-rock-operettenhaft, sie ist Vorleserin, sie unterhält zwei kurz-weilige Stunden "lang". Diese Viel-seitigkeit heißt dann "Konzentration auf die Tournee", wie Sissi Perlinger es heute Nachmittag ausdrückte.

Das Publikum ist ein guter Querschnitt durch die Gesellschaft, Paare, Pärchen, auch Singles in jedem Alter, von Jackett bis T-Shirt, von Turnschuhen bis Pumps.

Gut, viele Pointen zielen unter die Gürtellinie, muss wohl auch sein, denn schließlich geht es um Frau-Mann-Beziehungen. Aber eigentlich gibt es gar keine Linie, denn alles wird mal "besprochen", von der Sohle bis zum Scheitel.

Die Pointen sitzen. Überhaupt kommt alles an. Wenn mal die Männer ihr Fett wegkriegen, was häufiger (natürlich nur auf der Bühne) vorkommt, jubeln, klat-schen die Frauen lauter.

Die "Fräulein Sissinger", wie Frau Schamanin ihre Schülerin nennt, spielt Situationen, wie sie jede und jeder kennt - und sich in ihnen wieder erkennt.

Tipps für den Alltag? Liebste Freundin von Fräulein Sissinger hat Liebes-kummer, Partnerprobleme. Von der Brücke springen? Die Lösung: "Komm, geh´n wir Schuhe kaufen!"

Am Ende macht der magische Schrub-ber seine Arbeit besser als jeder Laser - beim Aufräumen der Single-Seelen-Wohnung.

Nach der letzten Verbeugung: Lang-anhaltender Applaus, standig-ovations, ein begeistertes, zufriedenes Publikum und eine strahlende Entertainerin.

Schlussfrage von Fräulein Sissinger: "Fühlten sich die Männer diskrimi-niert?"

"Nööööööhh!" - Lacher auf allen Seiten.