TOPIC trifft


Giovanni di Lorenzo

Journalist, Moderator und Chefredakteur der Wochenzeitung "DIE ZEIT"


Giovanni di Lorenzo im Bremer Bürgerpark  |  Foto: Take Janssen
Giovanni di Lorenzo im Bremer Bürgerpark | Foto: Take Janssen

Giovanni di Lorenzo in seinem Hamburger Büro vor DIE-ZEIT-Titeln  |  Foto: Take Janssen
Giovanni di Lorenzo in seinem Hamburger Büro vor DIE-ZEIT-Titeln | Foto: Take Janssen

... im 3nach9-Studio - Fotos: Take Janssen
... im 3nach9-Studio - Fotos: Take Janssen

 

 

Giovanni di Lorenzo

 

Chefredakteur der Wochenzeitung

"DIE ZEIT " - Mit-Moderator der Talksendung "3nach9" bei Radio Bremen - Buchautor

"Ich schätze die bescheidene Art Bremens"

"An uns müssen alle vorbei", sagen die beiden charmanten Damen im dritten Stock. So ist es.

 

Um in die Redaktionsetage des ZEIT-Verlags in der Hamburger City zu gelangen, muss umgestiegen werden, von einem Lift in einen anderen, der fährt dann zum Büro von ZEIT-Chefredakteur und Radio-Bremen-Moderator Giovanni di Lorenzo.



Di Lorenzo führt noch ein Telefonat. Seine Sekretärin fragt nach meinem Getränkewunsch, Kaffee, Wasser, Saft? Das, was Giovanni di Lorenzo trinkt – ein Earl-Grey-Tee, geht leider nicht auf die Schnelle, weil der extra zubereitet wird. Dann wünsche ich mir Wasser.


Bleibt noch etwas Zeit zum Umschauen. Ausblick über den Balkon auf die obersten Stockwerke anderer Gebäude, zwei Wände seines Büros sind behängt mit Titeln der ZEIT, reichlich belegter Arbeitstisch, schwarze Ledersitzgruppe, ein Bücherregal.

TOPIC: "Herr di Lorenzo, gibt es eine Beziehung zu Bremen über Ihre Talkshow '3nach9' hinaus?"

DI LORENZO: "Inzwischen fühle ich mich Bremen natürlich sehr verbunden. Aber ich muss gestehen: Das hat ausschließlich mit der Sendung zu tun. Ich hatte vorher nie die Gelegenheit, eine Verbindung zu der Stadt aufzubauen, nach fast dreiundzwanzig Jahren 3nach9 ist sie für mich aber so etwas wie ein zweiter Wohnsitz geworden. Ich habe mal zusammengezählt, wieviele Tage ich in Bremen verbracht habe, nur für die Sendung. Das summiert sich mittlerweile auf anderthalb Jahre.

TOPIC: "Bereiten Sie sich auf Ihre Sendung '3nach9' noch vor oder ist es inzwischen Routine geworden?"

DI LORENZO: "Ich bin in allem ein manischer Vorbereiter, und es hat sich auch bei 3nach9 noch keine Routine eingestellt. Die Aufregung ist immer noch groß."

TOPIC: "... die Aufregung direkt vor der Sendung?"

DI LORENZO: "Ja. Ich glaube, wenn die ganz weg wäre, müsste man auch aufhören."

TOPIC: "Wie äußert sich bei Ihnen die Aufregung vor der Sendung? Herzklopfen, Bauchkribbeln ..."

DI LORENZO: "... oder eingebildete Grippe! Am Tag der Sendung geht es los ..."

TOPIC: "... und was machen Sie dagegen, haben Sie ein Rezept?"

Es klopft an der Bürotür. Es ist nicht das Rezept, sondern ein Mitarbeiter. "Eine Sekunde bitte", sagt di Lorenzo zu mir, stellt mich als Kollegen aus Bremen vor und ich schalte das Aufnahmegerät vorübergehend aus.

DI LORENZO: "Also, gegen Aufregung gibt es eigentlich kein richtiges Mittel – mal abgesehen von dem Erfahrungswert, dass ich bisher noch keinen richtig großen Blackout hatte."

TOPIC: "Keine Technik zur Beruhigung? Tief durchatmen, Zigarette rauchen ...?"

DI LORENZO: "Wenn die Sendung losgegangen ist, kehrt nach den ersten ein, zwei Fragen in der Regel Ruhe ein. Vorher nicht. Auch nach all den Jahren hilft da kein Beruhigungsspruch, leider."

TOPIC: "Es ist bestimmt auch Ihre Professionalität, die Ihnen die Sicherheit gibt."

DI LORENZO: "Im Laufe der Jahre habe ich schon einiges erlebt und überstanden, das stimmt. Aber dieses Lampenfieber kriege ich trotzdem nicht weg, auch nicht bei Veranstaltungen, die nichts mit 3nach9 zu tun haben. Als ich neulich zu Gast in der Talkshow von Günther Jauch war, war es genauso stark. Das führt auf der anderen Seite aber dazu, dass man sich stärker konzentriert.

TOPIC: "Ich möchte noch nicht ganz loslassen vom Thema Aufregung, weil es ja sehr viele Menschen betrifft, die in der Öffentlichkeit stehen ..."

DI LORENZO: "Es ist weniger die Aufregung als die Angst vor dem Blackout. Das ist ein Alptraum, den ich immer wieder habe: Ich komme ins Studio und treffe dort auf Gäste, über die ich nichts weiß, auf die ich kein bisschen vorbereitet bin. Um diese Situation zu vermeiden, muss man vorher möglichst viel Wissen ansammeln. Während der Sendung kann ich dann das meiste umso gelassener wieder vergessen und mich ganz auf den Gast einlassen.“

TOPIC: "Wie intensiv ist die Vorbereitung?"

DI LORENZO: "Wenn es um Bücher geht, beschäftige ich mich schon Wochen vorher damit. Die richtig intensive Vorbereitungsphase beginnt aber am Donnerstagnachmittag und endet kurz vor der Sendung am Freitag."

TOPIC: "Das heißt, Ihr Job als Chefredakteur ist in dieser Zeit auch passé oder läuft das alles noch nebenher?"

DI LORENZO: "Einmal im Monat verlasse ich am Donnerstagnachmittag die Redaktion in Richtung Bremen und bin erst am Samstag wieder in Hamburg, aber..."

TOPIC: "... In den Tagen sind Sie dann Bremer!?"

DI LORENZO: "... aber es ist natürlich noch nie vorgekommen, dass ich während dieser Zeit keinen Kontakt mit den Kollegen in Hamburg gehabt hätte. Die Produktion der ZEIT läuft immer parallel. Das Weltgeschehen richtet sich ja nicht nach den Sendeplänen von 3nach9."

TOPIC: "Können Sie sagen, was Ihnen an Bremen gefällt oder nicht gefällt?"

DI LORENZO: "Ein paar Mal hatte ich schon Gelegenheit, etwas länger da zu sein. Ich schätze die Tradition der Stadt, und ich mag das Traditions-bewusstsein ihrer Bürger. Die Bremer lieben ihre Stadt, aber sie sind trotzdem neugierig und nicht hochmütig. Das habe ich in der einen oder anderen Hansestadt, die ich kenne, auch schon anders erlebt.

TOPIC: "Bremens Oberbürgermeister Jens Böhrnsen hat vor gut zwei Jahren einen Gedanken publiziert, wonach er meint, Bremen wäre zu bescheiden, die Stadt müsste sich nach außen hin besser und selbstbewusster verkaufen ..."

DI LORENZO: "Die etwas naive Einstellung, in seiner Stadt alles in Bestform zu haben und gar nichts anderes mehr kennenlernen zu müssen, gibt es in Bremen nicht ... und das finde ich sehr schön.“

TOPIC: " Herr Böhrnsen sieht das wohl etwas anders."

DI LORENZO: "Ich empfinde die zurückhaltende Art als sehr angenehm. Eine große Bitte an Herrn Böhrnsen: Das soll er den Bremerinnen und Bremern bitte nicht abgewöhnen!

TOPIC: "Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, wenn Sie in Hamburg sind?"

DI LORENZO: "Ich bin natürlich sehr viel hier im Pressehaus und oft an mehreren Abenden in der Woche bei Veranstaltungen in einer anderen Stadt. Ansonsten lebe ich einigermaßen zurückgezogen und freue mich, wenn ich ein paar freie Stunden habe, die ich meiner Frau und meiner Tochter widmen kann."

TOPIC: "Einladungen zu Talkshows ...?"

DI LORENZO: "Gibt es auch, ja. Vor allem aber gibt es viele Veranstaltungen des ZEIT-Verlags, bei denen ich moderiere, Interviews führe oder auch Vorträge halte. Hinzu kommen zum Beispiel Lesungen. Mit dem Buch „Wofür stehst Du", das ich zusammen mit Axel Hacke geschrieben habe, waren wir kreuz und quer in der Republik unterwegs, übrigens auch in der Nähe von Bremen.“

TOPIC: "In Ihrem Buch geht es um Werte und Freundschaft. Haben Sie persönlich ein Lebensmotto, nach dem Sie Beruf, Familie, private Beziehungen übereinbringen?"

DI LORENZO: "Ein Motto habe ich nicht, ebensowenig wie eine Lebensformel. Es gibt aber einen Leitspruch, den ich immer bewundert habe und den ich erstrebenswert finde, obwohl ich ihm selber leider nicht gerecht werde: Eine italienische Renaissance-Fürstin namens Isabella d'Este führte in ihrem Wappen den lateinischen Satz  'nec spe nec metu', das heißt 'weder mit Hoffnung noch mit Furcht'. Diese Formel steht für einen Menschen, der frei ist und nicht getrieben."

TOPIC: "Denken Sie an höhere Mächte, die einen treiben oder führen können, hat das vielleicht auch was mit Gläubigkeit zu tun?"
 
DI LORENZO: "Ich habe durchaus eine Beziehung zum Glauben und zur Religion, halte das aber für etwas sehr Privates. In dem Buch „Wofür stehst Du?“ habe ich nur sehr vorsichtig über dieses Thema geschrieben, weil ich dem Missverständnis vorbeugen möchte, ich wollte missionieren."

TOPIC: "Vorhin am Empfang las ich den ZEIT-Titel 'Wert der Freundschaft' ... welche Bedeutung hat für Sie der Begriff 'Freundschaft', besonders im Medienbereich und Show-Biz?"

DI LORENZO: "Im Fernsehgeschäft lernt man unendlich viele, wahnsinnig nette Menschen kennen, die einen sofort  herzlich umarmen und drücken. Sobald man selbst an Bedeutung eingebüßt hat, sind die meisten von ihnen wahrscheinlich wieder weg. Aber ich weiß trotzdem, dass es auch in dieser Branche aufrichtige und belastungsfähige Freundschaft gibt. Und manchmal sogar mehr als das: Ich habe habe bei 3nach9 meine Lebensgefährtin kennengelernt."

TOPIC: "Das könnte der Beweis für 'mehr als das' sein".

DI LORENZO: "Ja. - Wo wollen Sie die Fotos machen?"

Wir sind uns schnell einig, eins im Hamburger Büro vor der ZEIT-Titelwand und für das Motiv mit dem roten Sofa nehmen wir die Kulisse des Bremer Bürgerparks.

-tja-


Giovanni di Lorenzo

* geboren in Stockholm
* italienische und deutsche Staatsbürgerschaft
* Journalist
* Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT
* Mitherausgeber des Berliner Tagesspiegel
* Moderator der Talkshow 3nach9
   bei Radio Bremen
* Buchautor "Wofür stehst du?"


Auszeichnungen

* Julius-Hirsch-Preis - Ehrenpreis
* Chefredakteur des Jahres -
   Auszeichnung vom Medium-Magazin
* Hildegard-von-Bingen-Preis für Publizistik
* Medienpreis für Sprachkultur - Sparte Presse
* Premio Ischia, einer der angesehensten italienischen
   Journalistenpreise; "Horizont": Mann des Jahres in der
   Kategorie "Medien und Media"
* Preis der europäischen Presse – RAI/Radiotelevisione Italiana
* Goldene Feder für seine Tätigkeit als
   Chefredakteur des Tagesspiegels
* München leuchtet
* Theodor-Wolff-Preis
* Bambi
* Adolf-Grimme-Preisauszeichnungen